Spuren hinterlassen

27. Dialog mit dem schlauen Bergschaf-Bock

Ich sitze mit dem Bergschaf-Bock auf dem Sofa und erzähle ihm von einem Sauna-Erlebnis der vergangenen Tage:  

Ein pensionierter älterer Herr hat sich folgendermaßen geäußert: „Die Jungen woulln jo olle nimma oarbeitn.“  

Jetzt sind solche Aussagen bei einem Saunaaufenthalt nichts Untypisches und in mir steigt es schon vor dem Aufguss innerlich heiß auf, weil ich überlege, was und wie ich auf solche oder ähnliche Sprüche reagieren soll – oder ob das überhaupt Sinn macht.  

Untypisch war diesmal: Eine Frau mittleren Alters widersprach:  

„Ich verstehe das, die Jungen haben ja vielleicht auch recht! Dann haben sie mehr Zeit, gute Menschen zu sein, sich um andere zu kümmern und nicht nur um sich selbst, nachzudenken über ihr Leben und das Wesentliche. Sie haben schließlich einige Herausforderungen in ihrem Leben vor sich und wir Älteren lassen sie zurzeit ganz schön hängen.“  

Es folgte eine riesige Diskussion, an der sich alle Saunierenden beteiligten und die sich im Endeffekt gar nicht schlecht entwickelte (von der Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Gehalt über die Haus- und Wohnungspreise und ob wir überhaupt noch Pension bekommen werden bzw. ab welchem Alter bis hin zum Klimawandel). Es zeigten sich unterschiedlichste Lebensrealitäten: von jungen Menschen, die gerade eine Familie gründen, und Pensionisten (denen v.a. der Joker* wichtig ist ;) ), von Menschen in der Stadt und am Land, aus verschiedenen Berufsbranchen, von Selbstständigen und Angestellten.

Als der Aufguss vorbei war, hatten sich alle nicht wenig aufgeregt und verließen die Sauna flugs ins Abkühlbecken.  

Ich: Weißt du, lieber Bock, es war anstrengend und eigentlich sollte Sauna ja der Entspannung dienen. Aber mit etwas Abstand muss ich sagen: Das war cool. Das müssen wir eigentlich immer machen. Miteinander reden, um einander zu verstehen und uns nicht zu verlieren in den Social-Media-Bubbles.  

Bock: Sicherlich ... das ist Basisdemokratie ... aushandeln von Wegen, Verständnis füreinander gewinnen ... sicher füreinander interessieren. 

Ich (etwas verstimmt): Ja, du redest wieder gʼscheit.

Bock(ungerührt): Bei uns Bergschafen, in der Herde, ist das ganz normal. 

*Steiermark Joker: Kombi-Ticket für Ski- & Thermengenuss

 

Wie es bei mir ganz gut funktioniert und was ich selbst beitragen kann:

>Spuren hinterlassen: wenn ich mich nicht einbringe, werde ich auch eher nicht vertreten sein

> Mut haben zu reden, auch wenn andere anderer Meinung sind (besonders wenn es vielleicht die Mehrzahl der Anwesenden sein könnte)

> Grenzen setzen wie weit man in der Diskussion gehen will und einen Plan dafür haben, wie man aus dem Gespräch auch wieder gut aussteigen kann (Selbstschutz)

 

Was zu tun ist:

> Als Gesellschaft demokratisch Grenzen setzen, d.h. kreativ, Reibungen in Kauf nehmend, zu Lösungen zu gelangen.

> Miteinander reden - zuhören - und sich gemeinsam zu einer immer resilienteren, tragfähigeren Gesellschaft weiterentwickeln.

 

Weiterführende Links:

Anders Levermann, 2023: Die Faltung der Welt. Wie die Wissenschaft helfen kann, dem Wachstumsdilemma und der Klimakrise zu entkommen | Der international renommierte Klimaforscher zeigt konkrete Perspektiven auf. 272 Seiten, Ullstein Buchverlage