6. Dialog mit dem schlauen Bergschafbock im neuen Jahr
Ich: Nachdem sich die Stadt Graz zur Straßenbahn als prägendes öffentliches Verkehrsmittel "bekennt", folgt daraus, dass Umbaumaßnahmen und Instandhaltung langfristigere Umleitungen und Schienenersatzverkehr erfordern.
Bock: Ja, z.B. kleinere Module wie Elektrobusse könnten sofort überall fahren und spontan auf Ereignisse reagieren ohne große Aufregung. Das würde ja auch Arbeitsplätze schaffen, weil mehr Fahrer:innen notwendig wären, ansonsten ja meist ein politisches Totschlag-Argument ...
Ich: Naja, macht ja nix, man hat sich ja schon geeinigt diesen Weg - ohne weitere flexiblere Möglichkeiten einfließen lassen zu wollen - weiter zu verfolgen. Das ist wohl einfach so. Nun folgt aus dieser Herangehensweise zur Zeit gerade ein Schienenersatzverkehr durch eine kleine Straße in einem Wohngebiet - zeitlich begrenzt für ein halbes Jahr.
Bock: Ja, irgendwohin müssen sie ja ausweichen und den Nutzer:innen des Öffentlichen Verkehrs will man ja auch keine längeren Wege zu den Haltestellen zumuten.
Ich: Bin ich überall bei dir - im Grunde jedenfalls - aber anscheinend müssen Bushaltestellen asphaltiert sein. Dafür versiegelte die Stadt gerade für dieses halbe Jahr einen Wiesengrünstreifen. Das ist nicht nur aufgrund der Symbolik bestürzend sondern, auch auf der Kostenseite zu hinterfragen würde ich meinen.
Bock: Klimawandel, Überhitzung der Städte, Wärmeinseleffekt, Versiegelung, Überschwemmungen, sinkender Grundwasserspiegel ... was hat das schon mit ein paar Quadratmetern Wiese in einem Wohngebiet zu tun. Da gibts eh genug Grünflächen ... was soll man sich da aufregen.
Ich: Ich hätte mich heute früh an einen Grashalm anketten oder -kleben können - das wäre wenigstens lustig gewesen und hätte zumindest zu einer Pressemitteilung geführt ... - "Da kann man halt nix machen", hat der Vorarbeiter es so schön formuliert, auf meinen etwas emotionalen Einwand hin, dass das eine doch recht absurde Maßnahme sei.
Ein Teil der Politiker:innen der Stadt macht sich einerseits Gedanken darüber wie sie der Bevölkerung mehr Bewusstsein für nachhaltigen Lebensstil und Mobilität nahebringen könnte - ein anderer meint wohl mit Negativ-Vorbild-Wirkung dagegen arbeiten zu müssen ... oder war es einfach nur Business-as-usual und Gedankenlosigkeit?
Übrigens, da kann man schon etwas machen:
Was zu tun wäre steht in den eigenen freiraumplanerischen Standards der Stadt zum Thema "Bodenversiegelung" - da würde sich wohl eine Alternative finden lassen - und darüber hinaus vielleicht sogar eine provisorische, die eine Wiese nicht zerstört? Holz, Rasengittersteine - you name it? Es geht ja nicht nur um Versickerung sondern auch um die Verdunstung über eine intakte Vegetationsdecke, einen funktionierenden Boden mit Lebewesen. Es geht hier nicht um ein paar Quadratmeter Wiese. Die Maßnahme verdeutlicht eben eine veraltete, destruktive Grundhaltung und Handlungsweise, die wir uns mit Blick auf die rezenten Umweltveränderungen einfach nicht mehr leisten können. Wir machen weiterhin einfach kaputt, was uns bezüglich klimatischer Veränderungen sogar zu Gute käme, ohne eine Sekunde darüber zu reflektieren ob das wirklich notwendig ist. Es wäre ratsam damit aufzuhören - im Kleinsten wie im Großen.